Die ganze Geschichte der Rosa Note

für alle, die es genau wissen wollen!

 

Die Anfangszeit (1991 - 1993)

 

Am Anfang stehen die SCHRILLMÄNNER. Der schwule Chor aus Karlsruhe gibt 1990 ein Konzert in Stuttgart. Das beeindruckt eine kleine Gruppe von Zuhörern so sehr, dass sie im August 1991 den SCHWULEN CHOR STUTTGART gründen. Die 6 sangesfreudigen Männer treffen sich jeden Sonntagnachmittag in einer Privatwohnung um zu singen – mit großer Begeisterung aber wenig Ahnung vom Chorgesang. Im Oktober 1991 gewinnt das Grüppchen den ambitionierten Schulmusiker Amadeus Hofmann als Chorleiter, der dieses Amt bis heute innehat.

 

Auch die Raumsituation verbessert sich. Im November 1991 bekommt der Schwule Chor im Liberalen Zentrum in der Senefelder Straße einen Probenraum. Schon vier Wochen später findet dort der erste (inoffizielle) Auftritt an einem Adventssonntag statt.
Im März 1992 hat der Chor sein offizielles Debüt mit sieben Sängern und einem Pianisten bei der 20-Jahr-Feier der IHS (Initiative Homosexualität Stuttgart). Die Mitgliederzahl des Chores steigt daraufhin auf etwa 16 an. Im September 1992 wirken sie bei der Eröffnung der Schwulen Filmwochen in Esslingen mit, im gleichen Jahr singt der Chor bei der AIDS-Hilfe Hocketse auf dem Schillerplatz in Stuttgart. Ebenfalls 1992 werden die Proben in „Lauras Club“ in der Lautenschlagerstraße verlegt, was der stark gestiegenen Sängerzahl geschuldet ist.
Bis dahin nannte sich die Gruppe SCHWULER CHOR STUTTGART. Im Herbst desselben Jahres wird aus 35 Vorschlägen der Name ROSA NOTE STUTTGART ausgewählt und ein passendes Logo mit zwei rosaroten Noten entwickelt.

 

Am 01.12.1992, dem Welt-AIDS-Tag, gestalten die Sänger einen Gedenkgottesdienst in der Leonhardskirche in Stuttgart. Auch diese Tradition hält bis heute an.

 

Innerhalb kürzester Zeit ist die ROSA NOTE ein gern gesehener Gast bei verschiedensten Veranstaltungen der schwulen Szene in der Region Stuttgart. Musikalisch wird eine bunte Mischung aus Pop, Jazz, Klassik und Volkslied geboten. Die Texte sind sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch. Teilweise wird schon damals selbst umgedichtet. Zudem wird ein Repertoire mit kirchlichen Liedern eingeübt. Gesungen wird, auf was die Männer Lust haben, ein inhaltliches Konzept gibt es noch nicht.

 

1993 formuliert der Chorleiter Amadeus Hoffmann folgenden Anspruch an Sänger und Chor:

 

Der Schwule Männerchor „Rosa Note Stuttgart“ besteht zurzeit aus circa 15 Männern unterschiedlicher Qualifikation (inklusive Dirigent und Instrumentalisten.) Dem sollte bei der Liedauswahl Rechnung getragen werden. Jeder soll Spaß am gemeinsamen Singen und Tun haben. Die singtechnisch Stärkeren sind aufgefordert, Rücksicht auf die Schwächeren zu nehmen, diese sind zu erhöhtem Einsatz aufgefordert, um gemeinsam die eventuell auftretenden gesanglichen Schwierigkeiten zu Überwinden.

 

Ich erhebe den Anspruch gute Arbeit zu leisten, die uns und den Zuhörern Lust und Freude bereitet. Meine Vorstellung von Liedgut ist Folgende: bekannte Melodien mit guten Texten versehen (eigene und fremde) Wir singen A-Cappella oder mit Instrumentalbegleitung, dabei sind einfache Stücke zu bevorzugen. Eine stetige Erweiterung des Erarbeiteten ist anzustreben. Die Gewichtung sollte nicht einseitig auf weltlicher oder geistlicher Chormusik liegen. Showeffekte müssen rüberkommen ebenso Pointen, sonst wirken sie deplatziert. Eine Choreografie ist, wenn erforderlich, sehr gut einzuüben. Die Auswahl wird vom Chorleiter unter Mithilfe der Chormitglieder getroffen.

 

 

 

Der Blick weitet sich (1993 – 1996)

 

In den folgenden Jahren nimmt die Rosa Note an internationalen Festivals teil und knüpft Kontakte zu anderen schwulen und lesbischen Chören. Das erste eigene Konzert wird auf die Bühne gebracht.

 

Im Mai 1993 findet in Zürich das Schwullesbische Chorspektakel statt. Die Stuttgarter Sänger sind begeistert von der Vielfalt der Chöre und von der Gemeinschaft und dem Miteinander. Das einmalige Erlebnis wird getrübt durch eine niederschmetternde Pressekritik. Der Auftritt der ROSA NOTE wird als  Negativhöhepunkt dargestellt. Das stößt eine intensive Diskussion über das inhaltliche Konzept von Auftritten an.    

 

1995 nimmt die ROSA NOTE zusammen mit weiteren 36 Chören am europäischen Chorfestival VariousVoices in Groningen (Niederlande) teil.
Im selben Jahr eröffnet die Weissenburg, Stuttgarts erstes schwullesbisches Zentrum. Die ROSA NOTE ist Gründungsmitglied und probt bis heute dort.  
Ebenfalls 1995 unternehmen die Sänger einen (einmaligen) Ausflug in die klassische Musik. Im Rahmen eines Benefizkonzerts für die AIDS-Hilfe findet im Dezember ein Gemeinschaftskonzert mit dem Katholischen Kirchenchor aus Pfullingen statt.

 

1996 wird die ROSA NOTE erstmals als Gastchor eingeladen, im Juni von den Queeflöten Freiburg zum Regionalfestival Choriosa und im September von den SCHRILLMÄNNERN nach Karlsruhe.

 

Am 13. Oktober 1996 gibt es ein bedeutsames Ereignis: Das erste große, eigene Konzert auf einer richtigen Bühne findet im Theater Rampe statt. Die ROSA NOTE ist nicht mehr nur Teilnehmer oder Programmpunkt unter vielen, sondern Veranstalter und Gastgeber! Unter dem Titel 1. Stuttgarter Konzert lesbischer und schwuler Chöre singt die ROSA NOTE mit zwei Gastchören, den QUEERFLÖTEN aus Freiburg und den QUINTOPHONEN KRÄHEN aus Basel.

 

 

 

Erste Schritte in Richtung zusammenhängender Programmhandlung (1997 – 2001)

 

Eine Gruppe von Sängern unterstützt den Chorleiter Amadeus bei der Auswahl der Stücke und beginnt, Texte selbst zu verfassen. Der Vorläufer des heutigen Künstlerischen Beirates formiert sich. Sie entwickeln Programme mit einer losen Kombination aus Originaltiteln und neu betexteten Stücken, mit denen die ROSA NOTE meist recht erfolgreich auftritt.

 

1997 gibt es für VariousVoices in München zum ersten Mal ein in sich abgeschlossenes Handlungsprogramm  rund um einen Friseur (Titel: Der scheppernde Engel). Die fünf Stücke aus dem Musical Hair sind noch lange kein Chorkabarett, aber es gibt einen zusammenhängenden Erzählstrang mit kleinen Choreographien.

 

Ein besonders Ereignis ist das süddeutsche Chöretreffen Südluscht, welches im Jahr 2000  von der ROSA NOTE zusammen mit dem LESBENCHOR STUTTGART (inzwischen MUSICA LESBIANA)  erstmals in Stuttgart organisiert und ausgerichtet wird.

 

Diese Schaffensphase endet mit einem desaströsen Auftritt 2001 bei VariousVoices in Berlin. Das dargebotene Programm Rosa Note geht auf Reisen hat zwar eine Quasi-Handlung als Grundlage, vermittelt aber ein ziemliches Durcheinander in Sachen Stilmix, Texte und Auftrittskleidung. Das Publikum ist nicht in der Lage, mit der Programmentwicklung mitzugehen. Wieder findet eine intensive Auseinandersetzung über die zukünftige inhaltliche Ausrichtung der ROSA NOTE statt, welche in einem radikal neuen Konzept mündet.

 

 

 

2002 - Die Geburtsstunde des Chorkabaretts

 

Die ROSA NOTE holt sich externe Unterstützung bei dem eng mit dem Chor verbundenen Kunsthistoriker Charly Prestle. Gemeinsam wird das Programm Männerfang entwickelt. Die künstlerische Arbeitsgruppe des Chores sucht die Stücke aus und feilt an den Arrangements, Charly ersinnt den dramaturgischen Bogen und schreibt die Texte. Alles greift perfekt ineinander: Musik, Texte und Zwischenmoderationen.

 

Mit diesem Konzept erzielt die ROSA NOTE beim süddeutschen Chöretreffen Schreiline in Frankfurt einen riesigen Erfolg. Das Publikum ist außer sich vor Begeisterung. Die Frankfurter Rundschau  schreibt von „…bestem Chor-Kabarett auf höchstem Niveau … differenziert dirigiert von Amadeus Hoffmann …“.
Die ROSA NOTE ist diesem Grundkonzept bis heute treu geblieben und der Begriff CHORKABARETT begleitet seitdem die Sänger.

 

 

 

2002 bis heute

 

Mit "Kochende Leidenschaften" (2004), "Überkochende Leidenschaften" (2006), einer Wiederauflage von "Männerfang" (2007), "Globale Erwärmung" (2008),  "Waschen, Legen, Stöhnen"(2010), "Choralverkehr (2012)" und "Kistenflimmern" (2016) bringt die ROSA NOTE inhaltlich sehr unterschiedliche Produktionen auf die Bühne. Das Grundkonzept des CHORKABARETTs wird aber immer beibehalten.

 

Ebenfalls in diese Phase fällt die Öffnung des Chores für ein breites Publikum. Die ROSA NOTE wandelt sich von einem Chor der schwulen Szene in einen Chor für Alle. Ein großer Teil des Publikums ist inzwischen heterosexuell. Die witzigen Texte und schwungvollen Choreografien, gepaart mit Selbstironie, meist hoher gesanglicher Qualität und attraktiven Auftrittsorten (Theater der Altstadt, Altes Schauspielhaus, Theaterhaus, Wagenhallen etc.) kommen auch außerhalb der Szene gut an.

 

2004 nimmt die ROSA NOTE erstmals an der CSD-Parade in Stuttgart teil. In einem aufwändigen Prozess wird zunächst eine Playbackaufnahme eingesungen und anschließend eine Straßenchoreografie einstudiert. Mit Live-Gesang würden die Sänger während der Parade niemals zum Publikum durchdringen. Mit dem Playback wird die ROSA NOTE ihrem Anspruch, ein eigenes Lied zu singen, trotzdem gerecht. Auch dieses erfolgreiche Konzept hat sich bis heute gehalten.

 

Im Jahre 2007/2008 beginnt in organisatorischer Hinsicht ein neuer Abschnitt in der Chorgeschichte. In Zusammenhang mit der abermaligen Ausrichtung von Südluscht 2008 wird die ROSA NOTE ein eingetragener Verein und tritt dem schwäbischen Sängerbund bei.

 

Immer wiederkehrende Auftritte bei (Gesellschafts-) Politischen Veranstaltungen, etwa dem CSD-Empfang der Landesregierung im Neuen Schloss (2015) oder Engagements im Haus der Abgeordneten zeigen auf, wie sehr ein Chor schwuler Männer im Alltag angekommen ist.
Ein besonderes Ereignis war zweifellos, als die ROSA NOTE als erster Chor überhaupt  das Gedicht Gruß an Stuttgart von Karl Gerock vertonte und im Rathaus in Anwesenheit von Oberbürgermeister Fritz Kuhn uraufführte (2015). Ein ebenso besonderer Anlass war, als wir 2018 beim Festakt zur Eröffnung des STADTPALAIS (Stadtmuseum Stuttgart) sangen.

 

Umgekehrt haben sich die Sänger der ROSA NOTE nie vor jeglicher Öffentlichkeit gescheut und durch ihr sympathisches und selbstverständliches Auftreten zur Akzeptanz von LSBTTIQ-Menschen maßgeblich beigetragen.

 

 

Oliver Rademann und Stefan Frey